Montag, 30. Juli 2012

Zeit verändert: Zeit verändert

Zeit verändert: Zeit verändert: Die Zeit verändert alles, Sprache, Gewohnheiten, Kleidungs- und Wohnverhalten, Denkweise, Musik, Berufe,… das Leben. Nichts ist beständig. E...

Fachwerk in Frauenaurach

Fachwerkbauweise in Frauenaurach (91056 Erlangen) Jutta Triantafyllidis

1  Frauenaurach
Das Thema des diesjährigen „Tag des offenen Denkmals“ lautet   „Holz“. Holz ist ein sehr altes, natürliches Baumaterial. Seit Jahrtausenden wird es vor allem in den etwas kühleren und bewaldeten Regionen der Erde zum Hausbau benutzt. Holzhäuser haben Jahrhunderte überdauert, denn Holz ist beständig.

Hier in Franken  fällt einem  zu diesem Thema spontan „Fachwerkbauweise“  ein. Sie ist eine uralte und erprobte Art, Häuser zu konstruieren. Aber hinter Fachwerkbauweise verbirgt sich ein sehr umfangreiches Gebiet. Wie in der Steinbaukunst gibt es auch im Fachwerkbau unterschiedliche Stilepochen und vor allem regionale Unterschiede. Fachwerkkonstruktionen lassen sich stets auf uralte Bautraditionen zurückführen. Wir wollen uns aber hier auf einen ganz kleinen Ausschnitt beschränken, auf Fachwerkbauweise in Frauen-aurach.

Wo sollen  denn  Fachwerkhäuser  in Frauenaurach sein, da gibt es doch nur den „Schwarzen Adler“? Ja, leider erkennt man Fachwerk in Frauenaurach erst auf den zweiten Blick! Eine alte Verordnung verlangte, dass alle Fachwerkhäuser aus Feuerschutzgründen verputzt werden sollten. Später gab es einen Trend, Fachwerkhäuser zu verputzen, um Steinhäuser vorzutäuschen. Steinhäuser galten damals als etwas Besseres. Heute würde man das Fachwerkwerk ganz gern wieder freilegen, wenn es nicht so kostspielig wäre.
1979 kam eine junge Familie nach Frauenaurach. Sie erwarb das hässlichste  Haus im Ortskern, das ehemalige Gasthaus zum „Schwarzen Adler“,  Herdegenplatz 1.  Mit viel Mut und Engagement machten sie sich, zum großen Teil in Eigenleistung, an die Renovierung dieses Hauses. Sie hatten Phantasie und wussten, was sie  daraus machen wollten. Sie legten auch das alte  Fachwerk wieder frei. Nach drei arbeitsreichen Jahren war es dann so weit, jeder konnte das „neue“ Haus bewundern. Unter dem hässlichen Verputz erstrahlte ein Bilderbuchbeispiel fränkischen Fachwerks. Es ist ein Schmuckstück für Frauenaurach geworden.
2 Schwarzer Adler, 1979
3 Schwarzer Adler, 2007

Schauen wir uns einmal die repräsentative Giebelseite genauer an!  Zunächst erkennen wir nur Balken, sie überwältigen uns.
4 Giebelseite, Schwarzer Adler
 Aber bei längerem Hinschauen erkennen wir die Struktur und nehmen allmählich die Ordnung wahr. Wir sehen, dass sich einige Elemente wiederholen.  
5 Teilansicht

 
Auffallend sind zwei Figuren: „Wilder Mann“ oder auch  K-Strebe genannt und „Andreaskreuz“. Diese Wiederholungen bewirken den ornamentalen Charakter des Fachwerks. Dabei sind alle einzelnen Teile genau aufeinander abgestimmt. Auf der Schwelle sind die Eckständer, Zwischenständer und Bundständer eingezapft. Diese werden durch verzapfte Riegel, Kopf- und Fußstreben, gehalten und stHolznägel sorgen für  die beständige Haltbarkeit. Fachwerk ist eine Skelettbauweise. Die Festigkeit eines Hauses hängt von der stabilen Balkenverbindung ab.abilisiert. Den Abschluss bildet das Rähm. 
  
Holznägel sorgen für  die beständige Haltbarkeit. Fachwerk ist eine Skelettbauweise. Die Festigkeit eines Hauses hängt von der stabilen Balkenverbindung ab.
Eck-, Zwischen- und Bundständer sind wiederum mit den ins Stockwerk ragenden Tragebalken verbunden. Die Zimmerleute waren die eigentlichen Schöpfer, die Baumeister der Fachwerkhäuser. 
 
Man unterscheidet zwischen Stützfachwerk und Schmuckfachwerk. Alle Balken, die für die Stabilisierung notwendig sind, sind Stützelemente. Schmuckelemente dienen dagegen mehr dem Schmuck und der Zierde. An unserem Beispiel gehören  Andreaskreuz,  doppelte Fußstreben und Kopfbüge am oberen Ende der Eck- und Bundständer zum Schmuck.

Wie alt ist der „Schwarze Adler“? In der Ortsgeschichte heißt es, in Frauenaurach sei nach dem 30jährigen Krieg (1618 – 1648) alles verwüstet, zerstört und demoliert gewesen. Kein Mensch habe hier den langen Krieg überlebt. Die Häuser waren nicht mehr bewohnbar. Es dauerte eine Generation, bis die Menschen wieder Mut fasten. Markgraf Christian Ernst wollte, dass sich in Frauenaurach wieder Menschen ansiedelten. So begann ab 1680 eine rege Bautätigkeit. Inzwischen sind auch die Baudaten des Schwarzen Adlers erforscht worden, der Baubeginn fällt genau in das Jahr 1680.
Das Fachwerk weist eine gewisse Strenge auf. Vergleichen wir es mit anderen Beispielen im mittelfränkischen Raum, die um 1700 errichtet worden sind, so lassen sich Ähnlichkeiten im Nürnberger und Fürther Land feststellen: K-Streben, verdoppelte Fußstreben, geschweifte Kopfbüge und sparsam verwendete Andreaskreuze sind auch hier in dieser Zeit üblich. Um 1700 knüpfte man, wie überall,  an Baugewohnheiten vor dem 30jährigen Krieg an.

7 Oberbüchlein, Fürther Land, um 1700
8 Neuhof, Nürnberger Land, um 1700


 




















Wenden wir uns   wieder den Fachwerkhäusern in Frauenaurach zu. Ein weiteres unverputztes Fachwerkhaus stellt das Pfarrhaus dar, Wallenrodstraße 12. Man muss es suchen, denn es liegt nicht direkt an der Wallenrodstraße, sondern etwas versteckt dahinter. Der Baubeginn wird mit 1695 angegeben
9 Pfarrhaus, Giebelseite

10 Pfarrhaus, Traufseite





Vergleichen wir die Fachwerkkonstruktion mit der des Schwarzen Adlers. Auch hier finden wir doppelte Fußstreben und Andreaskreuze unterhalb der Fenster. Kopfbüge sind nur auf der Giebelseite im ersten Stock zu erkennen. Bei diesem Gebäude vermute ich, dass es einen Vorgänger vor dem 30jährigen Krieg gab. 
Geübte Betrachter erkennen an der Giebelseite, dass hier ein späterer Umbau erfolgte.1770 wurden insgesamt auf der Giebelseite drei weitere Fenster eingebaut: zwei im ersten Stockwerk und im ersten Dachgeschoss noch eins dazu. Sehen wir uns einmal die Andreaskreuze bei beiden Häusern genau an. Beim Schwarzen Adlers entdecken wir rechts und links des Kreuzes jeweils zusätzliche kurze Ständer.




          12 Schwarzer Adler Ausschnitt

13 Sägmühle, Ausschnitt

Gehen wir nun noch zu einem dritten stattlichen und ebenfalls zweigeschossigen Gebäude, zur ehemaligen Sägmühle, Wallenrodstraße 24. Der Nord-Giebel, den man von der Herzogenauracher Straße gut sehen kann, zeigt, dass er einst verputzt war, inzwischen ist der Putz stellenweise abgebröckelt. So kann man das darunter liegende Fachwerk erkennen. Der Baubeginn wird mit 1685 angegeben. Im Gegensatz zu den anderen beiden Häusern wurde hier nur der Giebel im Dachbereich in Fachwerkbauweise ausgeführt.*)Konrad Rottmann (Stadtheimatpfleger in Erlangen): „Vermutlich/wahrscheinlich war der Nordgiebel ursächlich komplett aus Fachwerk!! Das EG- und OG-Mauerwerk scheint mir nicht sonderlich alt zu sein!“) Auch hier wieder doppelte Fußstreben, Andreaskreuz mit kurzen Ständern rechts und links und mit Kopfbügen an den Bundständern, alles ist ähnlich dem Schwarzen Adler.
 
14 Ehemalige Sägmühle, Baubeginn 1685
15 Ehem. Sägmühle, Fachwerk-Rekonstruktion, Nordgiebe
Noch ein weiteres Gebäude in Frauenaurach, die Klostermühle, Klostermühlgasse 11. Es ist ein beeindruckender Giebelbau, der in der Zeit um 1680 wieder hergerichtet wurde. Man kann davon ausgehen, dass das Gebäude schon vor dem 30jährigen Krieg stand (Laut Forschungsergebnissen  von Manfred Kellner, Frauenaurach). Das Giebelfachwerk konnte auf Grund der Innenansicht des Dachgiebels rekonstruiert werden. Auch hier sehen wir doppelte Fußstreben, Andreaskreuze unter den Fenstern und an den Bundständern Kopfbüge.


16 Klostermühle

17 Klostermühle, Fachwerk-Rekonstruktion

Doppelte Fußstreben, Andreaskreuze unter den Fenstern und Kopfbüge an den Bundständern habe ich gemeinsam an einem Fachwerkhaus bisher nur in Frauenaurach gesehen. Es ist typisch für Frauenauracher Fachwerkhäuser, die ab 1680 in Frauenaurach gebaut wurden. Das liegt vor allem an den Zimmerleuten, die damals in Frauenaurach tätig waren. Auf Anhieb hat man den Eindruck, dass alle Häuser gleich aussehen, aber wie wir bereits gemerkt haben, gibt es doch große Unterschiede. Kein Haus ist genau wie das andere. Genau das macht den Reiz örtlicher Fachwerkbauweise aus, sie sind ähnlich, aber nicht gleich.

Dachgeschosse waren damals nicht  bewohnt, hier waren Lagerräume. Es waren deshalb keine teuren Glasfenster nötig. Die Öffnungen  wurden nur mit hölzernen Läden geschlossen. Ganz oben im Giebel befand sich bei allen Häusern eine Aufzugsluke unter einem kleinen vorspringenden Dächlein, um Lagergut in das Dachgeschoss zu transportieren (leider wurden sie später bei den meisten Häusern entfernt). Der Zugang zu allen Häusern war stets an der Traufseite, nie an der Giebelseite. Im Erdgeschoss waren Gewerberäume und im ersten Stock befanden sich die Wohnräume. Die Fachwerkwände in den Erdgeschossen wurden in späterer Zeit häufig durch Steinmauern ersetzt.

Nun haben wir in Frauenaurach noch zwei weitere Fachwerkhäuser, die bisher nicht erwähnt wurden, obwohl ihr Fachwerk frei zu sehen ist. Sie unterscheiden sich jedoch auffallend von den bisher erwähnten Gebäuden. Doppelte Fußstreben, Andreaskreuze und Kopfbüge an den Bundständern suchen wir vergebens. Was ist passiert? Schaut man auf die Bauzeit dieser Häuser, dann stellt man fest, dass zumindest das eine, 100 Jahre nach den bisher besprochenen Häusern entstanden ist.

Zum Ende des 18. Jahrhunderts wird  in vielen Teilen Frankens reiches Schmuckfachwerk immer seltener. Hauptsächlich konstruktive Fachwerkbauweise wird noch angewandt, das Fachwerk hat nur stützende Funktion. Man spricht deshalb auch von Stützfachwerk. Man könnte dies  als ein Zeichen wirtschaftlichen Niedergangs deuten. Aber es ist eher eine Sache des Zeitgeschmacks, die reichen barocken Fachwerkmuster wurden ganz einfach als unmodern empfunden.
Es gibt nur noch gerade klassische Formen. So entsteht eine Art „Gitterfachwerk aus  dichtgereihten senkrechten…Ständern mit wenigen wandhohen Streben, die in ihrer schwachen Neigung nur wie leicht gekippte Ständer wirken.“  *)Konrad Bedal: Fachwerk in Franken, S. 21
18 Kantoratshaus, 1795

19 Wohnhaus, Wallenrodstraße 12, Ende 18. Jh.
 
Das Kantoratshaus wurde 1680 als Kantorats- und Schulgebäude erbaut. Nach 100 Jahren war es bereits baufällig und musste 1795 durch einen Neubau ersetzt werden. Bis 1889 fungierte es  als Kantorat und Schule. Danach war es Mesnerhaus.

Ähnlich könnte es beim Wohnhaus in der Wallenrodstraße 12 gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass das Haus bereits um 1680 erbaut worden war, aber vielleicht einen Schaden erlitten hatte, so dass das Fachwerk erneuert werden musste.*) Konrad Rottmann, Stadtheimatpfleger in Erlangen: „Das Fachwerk bei ‚Phillips-Haus‘ ist nur bedingt (jünger, d.h. nach 1780) erneuert. Auf der Innenseite des Außenfachwerks war eine ‚historische Innendämmung ‘aus horizontalen Bohlen mit Holznägel und Lehmschlag angebracht.“ Im ersten Stock können wir auf der Giebelseite an den Eckständern sogar noch Kopfbüge erkennen. Später wurde das Haus verputzt, 1988 wieder freigelegt und 2011 nochmals renoviert.

Fast alle Häuser in der Wallenrodstraße, im Ellenbogen und am Herdegenplatz sind verputzte Fachwerkhäuser. Die meisten entstanden um 1700 als Handwerkerhäuser, weil der Markgraf Christian Ernst in Frauenaurach Handwerker ansiedeln wollte.

 
Abbildungsnachweis

1
Frauenaurach, Zeichnung Jutta Triantafyllidis
2
Schwarzer Adler, Giebelseite, Foto Rainer Müller
3
Schwarzer Adler, Foto Rolf Krahl – Wikimedia Common
4
5
Teilansicht, Zeichnung Jutta Triantafyllidis
6
Verzapfte Balken, Zeichnung Jutta Triantafyllidis (nach Bedal*)
7
Oberbüchlein, Fürther Land, um 1700, Foto Konrad Bedal, in  „Fachwerk in Franken“, S. 198
8
Neuhof, Nürnberger Land, um 1700, Foto Alfred Höhn, in  „Fachwerkbauten in Franken“, S. 198
9
Pfarrhaus, Giebelseite, Foto Jutta Triantafyllidis (überarbeitet)
10
Pfarrhaus, Traufseite, Foto Jan Eric Löbe – Wikimedia Common
11
Pfarrhaus, Ausschnitt, Foto – Abb. 10
12
Schwarzer Adler, Ausschnitt, Foto – Abb. 3
13
Ehemalige Sägmühle, Ausschnitt, Foto – Abb. 14
14
Ehemalige Sägmühle, Giebelseite, Baubeginn 1685, Foto Jan Eric Löbe – Wikimedia Common
15
Ehemalige Sägmühle, Fachwerk-Rekonstruktion, Giebelseite ,  Zeichnung Jutta Triantafyllidis
16
Klostermühle, Erneuerung 1680, Foto Jutta Triantafyllidis
17
Klostermühle, Fachwerk-Rekonstruktion, überarbeitetes Foto – Jutta Triantafyllidis
18
Wohnhaus, Wallenrodstr. 12, Ende 18. Jh.,  Foto Jan Eric Löbe – Wikimedia Common
19
Kantoratshaus, 1795, Foto Jan Eric Löbe – Wikimedia Common

*) Konrad Bedal „Fachwerk in Franken“, S. 63

Verwendete Literatur

Arbeitskreis für Hausforschung, Hrsg.:
Fachwerk in Franken

Hausbau im Mittelalter
Band 33 
Bad Windsheim 1983
Bedal Konrad

Fachwerk in Franken
Hof 1980
Bedal Konrad

Fachwerk vor 1600 in Franken
Bad Windsheim 1990
Bedal Konrad

Historische Hausforschung
1978
Bedal Konrad

Ländliche Bauten aus Franken
Bad Windsheim 1988
Binding Günther  u. a.

Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus
Darmstadt 1989
Großner Rudolf

Bilder aus Frauenaurach
Erlangen 1983
Höhn Alfred

Fachwerkbauten in Franken
Würzburg 1980
Kellner Manfred

Text: Die Sägmühle zu Frauenaurach
Frauenaurach 2011
Triantafyllidis Jutta

Fränkisches Freilandmuseum - museumspädagogische Ansätze
Erlangen 1989
Triantafyllidis Jutta

Darstellung des Fachwerks im Unterricht
In: Mitteilungsblätter für Lehrer

Ansbach 1983
Triantafyllidis Jutta
Unterlagen für Lehrerfortbildung: Fachwerk in Franken
1981

Triantafyllidis, Jutta
Frauenaurach, Werdegang einer ursprünglich mittelalterlichen Ansiedlung
In: Erlangen erkunden

Erlangen 1986
Wikipedia, freie  Enzyklopädie
Liste der Baudenkmäler in Erlangen-Frauenaurach
Internet 2012




Dieser Beitrag wurde von mir ursprünglich für eine Broschüre der Stadt Erlangen zum diesjährigen Tag des offenen Denkmals geschrieben. Leider wurde er von der Jury für zu prosaisch eingestuft. Weil er  deshalb zu stark vom Neveau der übrigen Beitrag abweiche, wurde dieser Artikel für die Broschüre abgelehnt.